Wenn Facebook und Co Politik machen
Wenn mal wieder eine Party aus den Fugen gerät, weil sie über Facebook beworben wurde und statt der geplanten 100 Personen 900 vor der Tür stehen, fühlen sich Kulturkritiker bestätigt, welche negativen Folgen die sozialen Netze haben. Zweifelsohne kann diese Form der Eigenwerbung nachteilig werden, besonders kritisch wird es, wenn Jugendliche einem Millionenpublikum intimes mitteilen, schadet das nicht nur der späteren Karriere.
Der Hinweis, sich nicht ganz im Internet „auszuziehen“, darf ruhig als mahnende Aufforderung verstanden werden.
Gleichwohl zeigen uns Facebook und neuerdings Google+, dass das Internet zum öffentlichen Raum geworden ist. Die Leute kommen raus aus Ihren „Hütten“. Sie genießen es, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten. Bereits bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland zeigte sich, wie begeistert Menschen gemeinsam beim Public Viewing feierten. Gemeinsame Kochpartys oder Parcouring (Parkhäuser werden genutzt, um athletische Kunststücke aufzuführen) sind Indizien hierfür.
Der Rückzug ins Private, manche Soziologen prognostizierten ist in diesem Sinne ausgeblieben. Gerade bei jungen Menschen überwiegt der Glaube an eine rosige Zukunft – auch wenn Teile der Jugend in die Arbeitslosigkeit abzudriften drohen.
Für unsere Demokratie kann es nur gut sein, wenn sich die Menschen nicht ins Private zurückziehen, sondern ihre Meinungen, Fragen und Antworten öffentlich – im Internet – kundtun.
Diese neue Kultur zu moderieren, fällt den politischen Parteien bislang schwer. Die Gründe sind leicht gefunden: Die Internetöffentlichkeit ist sehr widersprüchlich, verändert sich laufend, sie ist plural und vielfältig, nicht selten sprunghaft und sicher nicht beherrschbar. Den politischen Parteien macht das Angst. Ihre Aufgabe wird es sein, dies auszuhalten und zu erkennen, wie politisch sich die Netzgemeinde jenseits parteipolitischer Taktik darstellt.
Wenn es den Parteien gelänge, abseits ihrer Parteiprogramme gemeinsam für das Politische im Netz zu werben und die politischen Internetströmungen aufzugreifen, ggfs zu moderieren in jedem Fall aber ernstzunehmen, wäre dies ein probates Mittel gegen die zunehmende Politikverdrossenheit. Nebenbei würden vermutlich auch mehr Menschen zur Wahl gehen.